Bilanzierung | Rückstellungsbildung für Verpflichtungen aus einem Kundenkartenprogramm (BFH)

Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit entsteht und dass das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird (BFH, Urteil v. 29.9.2022 - IV R 20/19; veröffentlicht am 8.12.2022).

Sachverhalt: Streitig ist die Passivierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen Verpflichtungen der Klägerin aus einem Kundenkartenprogramm in der Bilanz zum 31.12.2010.

Das FA war der Auffassung, dass die Einlösungsverpflichtung aus dem Bonuspunktesystem bei der Klägerin zum Bilanzstichtag weder eine zu passivierende Verbindlichkeit begründe, noch eine ungewisse Verbindlichkeit, die in Form einer Rückstellung gewinnmindernd Berücksichtigung finden könne. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Im nachfolgenden Klageverfahren verfolgte die Klägerin ihr Begehren dem Grunde nach weiter, stellte aber unstreitig, dass die Finanzverwaltung die Höhe der bisher gebildeten Bonuspunkterückstellung zu Recht als unzutreffend angesehen habe. Für das Streitjahr sei lediglich eine Rückstellung i. H. von 1.607.212 € anzuerkennen. Die hierzu von der Klägerin vorgelegte Berechnung ergab allerdings einen Betrag von gerundet 1.607.122 €.

Das FG gab der Klage nahezu vollumfänglich statt. Nur insoweit, als die Berechnung der Rückstellungshöhe von 1.607.122 € hinter dem dem Klageantrag zugrundeliegenden Rückstellungsbetrag von 1.607.212 € zurückblieb, war die Klage ohne Erfolg (FG Nürnberg, Urteil v. 25.4.2019 - 4 K 1050/17).

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Die Klage, mit der die Klägerin eine Minderung des laufenden Gesamthandsgewinns um 1.607.212 € begehrt hat, ist in vollem Umfang zulässig, obwohl die Klägerin zunächst einen Antrag angekündigt hat, der auf die Herabsetzung des Gesamthandsgewinns um lediglich 412.148,45 € gerichtet war.
  • Bei einer Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid ist eine betragsmäßige Erweiterung des Klagebegehrens in Bezug auf eine angegriffene Feststellung nicht als Klageänderung i. S. des § 67 FGO, sondern als grundsätzlich zulässige Klageerweiterung anzusehen, es sei denn, der Kläger hat eindeutig zu erkennen gegeben, dass er von einem weitergehenden Klagebegehren absieht.
  • Das FG hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.2010 keine Verbindlichkeit aus der Gewährung von am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkten bzw. Gutscheinen ausweisen konnte, wohl aber eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. H. von 1.607.122 € bilden musste.
  • Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit entsteht und dass das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird.
  • Der Bildung einer entsprechenden Rückstellung steht das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen. Die Anrechnungsverpflichtung der Klägerin stellt keine Verpflichtung im Sinne dieser Regelung dar.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach deren Höhe zudem ungewiss sein kann sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Ist eine Verpflichtung am Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden, bedarf es keiner Prüfung der wirtschaftlichen Verursachung mehr, weil eine Verpflichtung spätestens im Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung auch wirtschaftlich verursacht ist.

Ob nach diesen Maßstäben Rückstellungen für Verpflichtungen aus einem Kundenkartenprogramm zulässig sind, hängt von dessen konkreter Ausgestaltung ab. Im Streitfall hatte die Klägerin mit der Ausgabe einer Kundenkarte ein eigenständiges Vertragsverhältnis mit ihren teilnehmenden Kunden begründet. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses verpflichtete sie sich, den Karteninhabern bei einem Einkauf Bonuspunkte auf den jeweiligen Wert ihres Einkaufs i.H. von 3 % bzw. 5 % mit einem Gegenwert von einem Cent pro Punkt gutzuschreiben. Weiterhin verpflichtete sie sich, die gutgeschriebenen Punkte ab einem Stand von 250 Punkten (entspricht einem Wert von 2,50 €) bei einem weiteren Einkauf des Karteninhabers unter Anrechnung auf den Kaufpreis einzulösen. Gleiches galt für die den Karteninhabern erteilten Gutscheine. Ein Anspruch des Karteninhabers auf Barauszahlung bestand allerdings nicht.

Im Zusammenhang mit Kundengutscheinen hat der BFH die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten anerkannt, wenn das Unternehmen seinen Kunden beim Verkauf von Waren im Einzelhandel einen Barzahlungsnachlass durch Ausgabe von Gutscheinen (Rabattmarken) gewährt und die Auszahlung des Rabattbetrags davon abhängig macht, dass der Kunde durch Sammeln und Einkleben der Marken in eine Rabattkarte einen Mindesteinkauf belegt (BFH, Urteil v. 4.12.1959 - III 317/59 S „Rabattmarkenfall“).

Das FA war jedoch der Ansicht, dass der vorliegende Sachverhalt mit dem „Friseurgutschein-Fall“ (BFH, Urteil vom 19.9.2012 - IV R 45/09) vergleichbar sei. In jenem Fall hatte der BFH die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abgelehnt, weil die Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht seien. Sie beinhalteten einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen. Die mit den Gutscheinen versprochene Preisminderung für künftige, während des Geltungszeitraums in Anspruch zu nehmende Dienstleistungen sei nicht bereits durch das Versprechen im Ausgabejahr, sondern erst durch die Dienstleistung im Folgejahr, für die die Preisminderung gewährt werde, wirtschaftlich verursacht. Der Anspruch auf Preisermäßigung könne wirtschaftlich nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich beziehe.

Die Abgrenzung ist im Streitfall zugunsten der Klägerin ausgefallen, weil der Streitfall nach überzeugend begründeter Ansicht des BFH mit dem „Friseurgutschein-Fall“ nicht vergleichbar ist. Anders als dort habe die Klägerin ihren Kunden nicht anlässlich der Inanspruchnahme von Leistungen einen Vorteil als (Weihnachts-)Geschenk und „Dankeschön“ für die Treue zugewendet. Vielmehr habe sie sich im Rahmen des Kundenkartenprogramms vertraglich zur Vorteilsgewährung gegenüber den teilnehmenden Kunden verpflichtet. Sie müsse dem Karteninhaber nach Maßgabe der vertraglichen Regelungen beim Einkauf von Waren Bonuspunkte bzw. Gutscheine gewähren, die der Karteninhaber im Rahmen eines Folgekaufs in Unternehmen der Klägerin als Zahlungsmittel einsetzen könne. Anders als im „Friseurgutschein-Fall“, dem ein gegenüber dem „Rabattmarken-Fall“ anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt (so ausdrücklich auch BFH, Urteil vom 19.9.2012 - IV R 45/09, Rz. 43), rabattiere die Klägerin deshalb keine künftige Leistung, sondern gewähre insoweit dem „Rabattmarken-Fall“ vergleichbar einen Nachlass auf bereits getätigte Einkäufe des Kundenkarteninhabers. Zum Bilanzstichtag sei die Entstehung der Verpflichtung der Klägerin zur Anrechnung der an die Karteninhaber ausgegebenen Bonuspunkte und Gutscheine wahrscheinlich gewesen. Auch habe die Klägerin ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen.

Schließlich ist der BFH noch davon ausgegangen, dass der Bildung einer entsprechenden Rückstellung das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen stehe. Die Anrechnungsverpflichtung der Klägerin stelle keine Verpflichtung im Sinne dieser Regelung dar.

Quelle:  BFH, Urteil v. 29.9.2022 - IV R 20/19; NWB Datenbank (RD)

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