Corona | Soforthilfe nicht pfändbar (BGH)

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen (BGH, Beschluss v. 10.3.2021 - VII ZB 24/20).

Sachverhalt: Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung in Höhe von 12.204,60 €. Die Schuldnerin unterhält bei der Drittschuldnerin ein Pfändungsschutzkonto. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss v. 4.5.2016 wurden die Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.

Mit Bescheid v. 29.3.2020 wurde der Schuldnerin aufgrund des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige" und dem ergänzenden Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020" eine Zuwendung in Höhe von 9.000 € bewilligt und am 2.4.2020 auf ihrem Pfändungsschutzkonto bei der Drittschuldnerin gutgeschrieben.

Die Schuldnerin hat beim Vollstreckungsgericht beantragt, ihr eine Bescheinigung auszustellen, wonach die Drittschuldnerin ihr den Betrag von 9.000 € auszuzahlen habe, was diese unter Hinweis auf bestehende Pfändungen verweigert habe. Das Vollstreckungsgericht hat den pfändungsfreien Betrag der Schuldnerin für den Monat April 2020 gemäß § 850k Abs. 4 ZPO um 9.000 € erhöht.

Der BGH führt aus:

  • Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung handelt. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Corona-Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Betrags in Höhe von 9.000 € der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen
  • Die Corona-Soforthilfe ist ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen (vgl. u.a. BFH, Beschluss v. 9.7.2020 - VII S 23/20; LG Köln, Beschluss v. 23.4.2020 - 39 T 57/20).
  • Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sind der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dieser Programme und des diese umsetzenden Bescheids dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt (1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt - MinBl - Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360), der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
  • Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 1.3.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung geht hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die - wie im Streitfall - vor dem 1.3.2020, sondern nur solchen, die seit dem 1.3.2020 entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.
  • Die besondere Zweckbindung rechtfertigt es, die Gewährung der Corona-Soforthilfe der Auszahlung einer der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialleistung gleichzustellen mit der Folge, dass auf Antrag des Schuldners in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Soforthilfe zu erhöhen ist.

Quelle: BGH, Beschluss v. 10.3.2021 - VII ZB 24/20; NWB Datenbank (JT)

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