Einkommen-/Gewerbesteuer | Zurechnung eines Einkünftetatbestands im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren (Allein-)Gesellschafter (BFH)

Wird eine Kapitalgesellschaft aus dem betrügerischen Handel mit wertlosen Aktien berechtigt und verpflichtet, so sind die daraus resultierenden gewerblichen Einkünfte grundsätzlich ihr selbst steuerrechtlich zuzurechnen (BFH, Urteil v. 16.2.2022 - X R 3/19; veröffentlicht am 24.11.2022).

Hintergrund: Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtet sich die persönliche Zurechnung von Einkünften danach, welche Person sie i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG "erzielt" hat. Dies ist diejenige Person, die die Leistung bewirkt, durch die der Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß §§ 13 ff. EStG verwirklicht wird. Einkünfte sind steuerrechtlich nicht zwangsläufig derjenigen Person zuzurechnen, die im Außenverhältnis diejenigen Rechtsgeschäfte abschließt, an die die Besteuerung anknüpft. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tatbestandsverwirklichung erfolgt.

Speziell bei betrieblichen Einkunftsarten sind die Einkünfte dem Unternehmer zuzurechnen, d.h. demjenigen, der Unternehmerinitiative entfaltet und das Unternehmerrisiko trägt. Das ist derjenige, nach dessen Willen und auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in seinem Vermögen unmittelbar niederschlägt. Dieselben Erwägungen gelten für die Gewerbesteuer, da Steuerschuldner derjenige Unternehmer ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird (vgl. BFH, Urteil v. 10.7.2019 - X R 21-22/17).

Sachverhalt: Streitig ist, nach welchen Maßstäben eine Zurechnung von gewerblichen Einkünften in Fallkonstellationen erfolgt, in denen durch Zwischenschaltung einer juristischen Person eigenes kriminelles Handeln verschleiert wird, um dem Anlagebetrug dienenden Geschäften einen seriösen Anstrich zu verleihen. Vorliegend hatte der Kläger wertlose Aktien mit Betrugsabsicht an einen unbestimmten Kundenkreis vertrieben (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil v. 9.10.2018 - 13 K 1792/17 G).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Wird eine Kapitalgesellschaft aus dem betrügerischen Handel mit wertlosen Aktien berechtigt und verpflichtet, so sind die daraus resultierenden gewerblichen Einkünfte grundsätzlich ihr selbst steuerrechtlich zuzurechnen.

  • Ein Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich unzulässig und kommt nur unter den Voraussetzungen einer gesetzlichen Ausnahmevorschrift, insbesondere bei Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 41 AO) oder eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO), bzw. der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung diesbezüglich herausgearbeiteten Fallgruppen in Betracht.

  • Eine hiervon abweichende Einkünftezurechnung an den strafrechtlich verantwortlichen (Allein-)Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis ist nicht möglich.

Der BFH hat die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob dem Kläger aus dem Verkauf der Aktien nicht ggf. doch ein eigenständiger Gewerbebetrieb zuzurechnen ist.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Handelt eine Kapitalgesellschaft durch ihren Geschäftsführer, so erzielt sie und nicht der Geschäftsführer grundsätzlich die hieraus resultierenden gewerblichen Einkünfte. Denn auf ihre Rechnung und Gefahr wird der Tatbestand verwirklicht. Sie ist die Unternehmerin und nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Steuerrecht ein selbständiges Steuersubjekt - feststehende Grundsätze des Steuerrechts.

Der Durchgriff durch eine Kapitalgesellschaft ist nur in Ausnahmefällen möglich. Neben dem Scheingeschäft i.S.d. § 41 AO kann dies im Fall des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO gegeben sein. Ein Fall des § 42 AO kann vorliegen, wenn die Kapitalgesellschaft funktionslos ist und selbst keine wesentliche wertschöpfende Tätigkeit ausübt.

All diese Fälle lagen hier nicht zweifelsfrei vor. Nach außen schien der Kläger als Geschäftsführer der GmbH für deren Rechnung gehandelt zu haben. Allerdings könnte bei erneuter Prüfung ein Handeln des Klägers in einem eigenen Gewerbebetrieb durch Verkauf auf eigene Rechnung aufgrund einer Treuhandvereinbarung denkbar sein. Auch ist nicht auszuschließen, dass das FG im zweiten Rechtszug feststellt, dass die Kapitalgesellschaft funktionslos war.

Nicht ausreichend war dem BFH die Verurteilung des Klägers und des Inhabers des Treuhandkontos, auf dem die Gelder der Kapitalanleger gesammelt worden sind, als Mittäter. Denn mangels Mitunternehmerinitiative dieses Inhabers scheidet eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft aus.

Quelle:BFH, Urteil v. 16.2.2022 - X R 3/19; NWB Datenbank

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