Einkommensteuer | Abflugflughafen als erste Tätigkeitsstätte von Piloten und Flugbegleitern (FG)

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Werden die nach den OM-A geregelten Briefinggespräche im Regelfall im Gebäude des Arbeitgebers am Flughafen durchgeführt, zu dem der Steuerpflichtige durch seinen Arbeitsvertrag zugewiesen wurde, ist dies ausreichend, um am Flughafen eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen, denn bei diesen Briefinggesprächen müssen bereits die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, z. B. über die Betankung des Flugzeugs und die Flugroute (FG Hamburg, Urteil v. 24.11.2022 - 6 K 207/21; NZB eingelegt, BFH-Az. VI B 4/23).

Sachverhalt: Die verheirateten Kläger, ein Pilot und eine Flugbegleiterin, begehrten, dass Aufwendungen aus Fahrten von der Wohnung zu ihrem regelmäßigen Abflughafen und Verpflegungsmehraufwand sowie Übernachtungskosten im Zusammenhang mit diesen Fahrten im Rahmen des Werbungskostenabzugs nach Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt werden sollten. Der Beklagte berücksichtigte die Fahrten von der Wohnung zum Flughafen jedoch lediglich mit der Entfernungspauschale. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass sie keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG besäßen und daher außerhalb ihrer Wohnung stets auswärts tätig seien. Der Beklagte ging demgegenüber davon aus, dass die Kläger dauerhaft zu einer ortsfesten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitsvertrag bzw. das Versetzungsschreiben zugeordnet seien und ihre Tätigkeit an ihrem regelmäßigen Abflughafen beginne und ende.

Das Gericht folgte der Auffassung des Beklagten und wies die Klage als unbegrĂĽndet zurĂĽck:

  • Der Beklagte hat die geltend gemachten zusätzlichen Aufwendungen fĂĽr die Fahrten zwischen Wohnung und Flughafen sowie fĂĽr die Verpflegung und Unterkunft im Rahmen dieser Fahrten zu Recht nicht berĂĽcksichtigt, da die Aufwendungen der Kläger fĂĽr die Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Flughafen mit der vom Beklagten bereits berĂĽcksichtigten Entfernungspauschale abgegolten sind.
     
  • Die Gebäude am Flughafen - bzw. die dort genutzten Briefingräume - sind in den Streitjahren die erste Tätigkeitsstätte der Kläger gewesen. Dieser betrieblichen Einrichtung sind die Kläger auch dauerhaft und unbefristet zugeordnet. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Arbeitsverträgen. Und schlieĂźlich sind die Kläger am Flughafen auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Relevant fĂĽr die Beurteilung sind dabei nur die am Boden durchgefĂĽhrte Tätigkeiten, während die Tätigkeiten, die im Flugzeug durchgefĂĽhrt werden, nicht maĂźgeblich fĂĽr die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG sind.
     
  • Die Kläger sind nach den einschlägigen Operations Manual-Allgemeines (sog. OM-A) verpflichtet, vor jedem Flug eine bestimmte Zeit vorher am Flughafen zu sein, um insbesondere Briefinggespräche durchzufĂĽhren. FĂĽr die DurchfĂĽhrung der Briefings sind am Flughafen spezielle Räume vorgesehen. Im Rahmen dieser Briefings muss insbesondere die körperliche Verfassung der Flugbegleiter festgestellt und der Kenntnisstand der Crewmitglieder ermittelt werden. Diese Regelungen sind zwingend. Das Gericht ging letztlich davon aus, dass diese Briefings fĂĽr die Tätigkeit der Kläger jeweils qualitativ von erheblicher, genau genommen in Einzelfällen von lebenswichtiger Bedeutung sind, weil es darin auch um Sicherheitsaspekte geht (wie etwa die Wetterlage, Flugroute, Menge des Sprits fĂĽr den Flug, körperliche Verfassung des Personals). Deshalb ist diese Tätigkeit, auch wenn sie im Vergleich zur Flug- und sonstigen Umlaufzeit einen geringen zeitlichen Umfang beansprucht, ausreichend, um eine erste Tätigkeitstätte zu begrĂĽnden.

Hinweis:
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Kläger haben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Diese ist beim BFH unter dem Az. VI B 4/23.anhängig.

Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2023 v. 31.3.2023 (RD)


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