Grunderwerbsteuer | Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstückskauf von erschließungspflichtiger Gemeinde (BFH)

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück (Fortsetzung des BFH-Urteils vom 15.3.2001 - II R 39/99; BFH, Urteil v. 28.9.2022 - II R 32/20; veröffentlicht am 1.12.2022).

Sachverhalt: Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag erwarben die Klägerin und ihr Ehemann von der erschließungspflichtigen Gemeinde ein unbebautes und nicht erschlossenes Grundstück zu Miteigentum (40 %/ 60 %). Der Vertrag nennt einen Gesamtpreis und splittet den Kaufpreis in einen Teilbetrag für den verkauften Grund und Boden (102.600 €) und einen weiteren Teilbetrag für die Erschließungskosten auf. Zu Letzteren heißt es in dem Vertrag, enthalten seien darin sämtliche bereits erbrachten und noch zu erbringenden Kosten der Ersterschließung.

Das FA setzte Grunderwerbsteuer fest und legte als Bemessungsgrundlage den Gesamtpreis unter Einbeziehung der Erschließungskosten zugrunde. Den Einspruch wies das FA zurück.

Das FG hat die Klage, mit der die Klägerin die Minderung der Bemessungsgrundlage um die Erschließungskosten begehrte, abgewiesen (Hessisches FG, Urteil v. 24.8.2020 - 5 K 1373/19).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:

  • Ist eine nach öffentlichem Recht erschließungspflichtige Gemeinde selbst der Veräußerer und übernimmt der Erwerber die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück. Das gilt nicht nur, wenn der Erwerber die Erschließungskosten mittels gesonderten Vertrags übernimmt (dazu BFH, Urteil v. 15.03.2001 - II R 39/99), sondern ebenso, wenn eine solche Vereinbarung in den Kaufvertrag über das Grundstück integriert ist. Sie enthält regelmäßig einen von dem Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks zu trennenden öffentlich-rechtlichen Vertrag.
  • Das FG ist bei der Auslegung der streitgegenständlichen Vereinbarung von abweichenden Grundsätzen ausgegangen.
  • Der Vertrag ist in der Weise zu verstehen, dass die Vertragsparteien eine (zivilrechtliche) Vereinbarung über den Kauf des unerschlossenen Grundstücks für 102.600 € getroffen haben und dass sie daneben eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung i. S. des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB über die Ablösung des Erschließungsbeitrags schließen wollten. Der Vertrag ist nicht eindeutig. Er benennt einerseits einen Gesamtkaufpreis, schlüsselt diesen andererseits in einen Teilbetrag für den verkauften Grund und Boden sowie einen Teilbetrag für die Erschließungskosten auf. Also ist der Vertrag so auszulegen, dass er insgesamt so weit wie möglich wirksam ist.
  • Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Ablösevereinbarung ihrerseits den öffentlich-rechtlichen Anforderungen genügt und wirksam geworden ist. Sollte dies der Fall sein, besteht der Vertrag aus einem zivilrechtlichen und einem öffentlich-rechtlichen Teil. Sollten die Anforderungen an die Wirksamkeit einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht erfüllt sein, könnte die Ablösevereinbarung nicht unter Umgehung zwingenden öffentlichen Rechts als zivilrechtliche Vereinbarung verstanden werden. Sie wäre unwirksam. Es bliebe bei dem zivilrechtlichen Kaufvertrag über das unerschlossene Grundstück. Die Erschließungsbeiträge wären durch Beitragsbescheid festzusetzen.
  • Der Streitfall bietet keinen Anlass zu entscheiden, wie zu verfahren wäre, wenn sich die anteiligen Erschließungskosten dem Kaufvertrag selbst nicht entnehmen ließen. Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinde sowie die Klägerin und deren Ehemann den Kaufpreisanteil sehenden Auges zu niedrig angesetzt hätten, etwa um Grunderwerbsteuer zu sparen, hat das FG nicht festgestellt und sind auch weder vorgetragen noch ersichtlich.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Bei einem Grundstückskauf bildet zunächst der Kaufpreis für das Grundstück als Gegenleistung die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Zur Gegenleistung und Bemessungsgrundlage gehören aber auch alle (anderen) Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen zu zahlen hat, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend ist dabei, in welchem Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgang geworden ist. Das gilt vor allem für die Frage, ob das Grundstück im unbebauten oder noch zu bebauenden Zustand erworben werden soll. Ist das Grundstück im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbs, können neben dem Kaufpreis für das unbebaute Grundstück zusätzlich die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Dasselbe gilt im Hinblick auf den Erschließungszustand des Grundstücks. War das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das erschlossene Grundstück sein. War das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags aber noch nicht erschlossen, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob das (künftig) erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung sein soll. Im Streitfall betraf der Kaufvertrag lediglich das unerschlossene Grundstück. Daneben war ein Erschließungsbeitrag (gesondert) zu leisten, der nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen war.

Quelle: BFH, Urteil v. 28.9.2022 - II R 32/20; NWB Datenbank (RD)

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