Umsatzsteuer | Besteuerung der Wärmeabgabe aus einer Biogas-Anlage (BFH)

Der BFH hat dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es sich um die "Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen ... als unentgeltliche Zuwendung" i.S. von Art. 16 MwStSystRL handelt, wenn ein Steuerpflichtiger Wärme aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt (hier: Zuwendung von Wärme aus dem Blockheizkraftwerk eines Stromlieferanten an ein landwirtschaftliches Unternehmen zum Beheizen von Spargelfeldern) und ob es hierfür darauf ankommt, ob der steuerpflichtige Empfänger die Wärme für Zwecke verwendet, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen (BFH, Beschluss v. 22.11.2022 - XI R 17/20; veröffentlicht am 30.3.2023).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage. Der erzeugte Strom wird überwiegend ins Netz eingespeist und vom Stromnetzbetreiber vergütet. Die ebenfalls erzeugte Wärme dient zu einem Teil dem Produktionsprozess. Überschüssige Wärme überließ die Klägerin „kostenlos“ dem Unternehmer A zur Trocknung von Holz und der B-GbR (B) zur Beheizung ihrer Spargelfelder. In den Verträgen mit A und B ist geregelt, dass die Höhe der Vergütung je nach wirtschaftlicher Lage des Wärmeabnehmers individuell vereinbart und in den Verträgen nicht festgelegt werde.

Im Streitjahr 2008 erhielt die Klägerin für ihre Stromlieferung von ihrem Stromnetzbetreiber neben der Mindestvergütung nach § 8 Abs. 1 EEG einen Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 3 EEG (sog. KWK-Bonus). Auch dieser Bonus wurde entsprechend der Umsatzsteuererklärung der Klägerin vom FA in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze einbezogen.

Da die Klägerin den Wärmeabnehmern A und B kein Entgelt in Rechnung stellte, ging das FA von einer unentgeltlichen Zuwendung der Klägerin i.S. des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG aus und berechnete die Wertabgaben nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte im ersten Rechtsgang Erfolg. Das FG behandelte die Wärmeabgaben wegen eines Zusammenhangs mit dem KWK-Bonus als entgeltliche Leistung von dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG. Der BFH dagegen hob das FG-Urteil auf und wies die Sache zur Ermittlung der Höhe der unentgeltlichen Wertabgabe an das FG zurück (BFH, Urteil v. 31.5.2017 - XI R 2/14, s. hierzu Vanheiden, USt direkt digital 17/2017 S. 4 sowie unsere Online-Nachricht v. 16.8.2017).

Im zweiten Rechtsgang wendete sich die Klägerin u.a. im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage für die Wärmelieferungen gegen die Berechnung des FA, das diese Wertabgabe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten ermittelte. Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang teilweise statt. Es reduzierte die festgesetzte Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer für die unentgeltlichen Wertabgaben bemesse sich gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten, die nach der sog. Marktwertmethode zu berechnen seien. Es sei auf die Marktwerte für Strom und Wärme am konkreten Ort der Klägerin abzustellen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.12.2019).

Auf die Revision des FA haben die Richter des BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich um die "Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen ... als unentgeltliche Zuwendung" i.S. von Art. 16 MwStSystRL, wenn ein Steuerpflichtiger Wärme aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt (hier: Zuwendung von Wärme aus dem Blockheizkraftwerk eines Stromlieferanten an ein landwirtschaftliches Unternehmen zum Beheizen von Spargelfeldern)? Kommt es hierfür darauf an, ob der steuerpflichtige Empfänger die Wärme für Zwecke verwendet, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen?
     
  2. Schränkt der Tatbestand der Entnahme (Art. 16 MwStSystRL) den Selbstkostenpreis i.S. des Art. 74 MwStSystRL in der Weise ein, dass bei seiner Berechnung nur vorsteuerbelastete Kosten einzubeziehen sind?
     
  3. Gehören zum Selbstkostenpreis nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten oder auch nur mittelbar zurechenbare Kosten wie z.B. Finanzierungsaufwendungen?

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:
Die Vorlage an den EuGH betrifft einen Bereich, zu dem in den letzten Jahren eine Reihe von BFH-Entscheidungen ergangen sind. Grundsätzlich geklärt ist nunmehr aus der Sicht des BFH die Besteuerung von Wärmelieferungen durch die Biogasanlage als unentgeltliche Wertabgaben. Dabei sind sich der V. und XI. Senat einig, dass diese Wärmeabgaben nach den Selbstkosten gem. § 10 Abs. 4 UStG zu berechnen sind und sich die Berechnungsmethode nach den tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) richtet. Dies entspricht nicht der Ansicht des BMF, das bisher nach der energetischen Aufteilungsmethode die Selbstkosten berechnet (Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE). Dabei werden die erzeugten Mengen an elektrischer und thermischer Energie - gemessen in KWh – in Relation gesetzt.

Die Vorlage betrifft abseits dieser grundlegenden Entscheidung mehrere Fragen, die vom EuGH entschieden werden sollen.

So geht es insbesondere darum, ob von einer unentgeltlichen Zuwendung i.S. von Art. 16 MwStSystRL gesprochen werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger Wärme aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt (hier: Zuwendung von Wärme aus dem Blockheizkraftwerk eines Stromlieferanten an ein landwirtschaftliches Unternehmen zum Beheizen von Spargelfeldern).

Darüber hinaus werden dem EuGH Fragen zur Berechnung der Selbstkosten gestellt, die bisher zwar in der Literatur kontrovers diskutiert werden, aber von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden worden sind. So stellt sich die Frage, ob nur vorsteuerbelastete Kosten in die Berechnung der Selbstkosten Eingang finden. Weiterhin soll der EuGH dazu Stellung nehmen, ob nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten oder auch mittelbar zurechenbare Kosten wie zum Beispiel Finanzierungsaufwendungen in die Berechnung einfließen.
Die Beantwortung dieser beiden Fragekomplexe durch den EuGH wird auch über den Streitfall hinaus Bedeutung haben, da es grundsätzlich um die Bemessungsgrundlage bei den Selbstkosten geht.


Quelle:BFH, Beschluss v. 22.11.2022 - XI R 17/20; NWB Datenbank (il)

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