Umsatzsteuer | Rechnungsmerkmal der "vollständigen Anschrift" (BFH)

Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der dem Unternehmer erteilten Rechnung, für dessen Unternehmen die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind, angegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der leistende Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift erreichbar ist (Änderung der Rechtsprechung: BFH, Urteil v. 13.06.2018 - XI R 20/14; veröffentlicht am 19.09.2018).

Sachverhalt: Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Fraglich war im Streitfall u.a., ob sie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen an eine "D-GmbH" abziehen kann. Das FA stellte u.a. fest, dass sich unter der von D in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift zwar ihr statuarischer Sitz befunden habe, es sich hierbei jedoch um einen "Briefkastensitz“ handele, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift sei D lediglich postalisch erreichbar gewesen. Tatsächlich hatte die D-GmbH Räumlichkeiten unter einer anderen Anschrift angemietet.

Hierzu führten die Richter des XI. Senats des BFH weiter aus:

  • § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Vorsteuerabzug nicht den Besitz einer Rechnung mit der Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt.
  • Vielmehr reicht jede Art von Anschrift einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
  • Im Streitfall sind diese Anforderungen erfüllt. Denn die D hat unter der von ihr angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten. Das FG hat dazu u.a. unwidersprochen und für den Senat i.S. von § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass D unter der von ihr in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift postalisch erreichbar gewesen ist.
  • Allerdings kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob die Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den streitigen Eingangsleistungen zu Recht beansprucht. Denn es ist fraglich, ob und in welchem Umfang die Klägerin Fahrzeuge von D bezogen hat. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.

Hinweis: Darüber hinaus urteilten die Richter, dass der Begriff "Bestimmungsort" i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2005 - anders als die Klägerin meint - unionsrechtskonform nicht dahingehend auszulegen sei, dass die Angabe des Ziellandes ausreiche. § 17a UStDV 2005 sei mit Unionsrecht vereinbar.

Hauptbezug: BFH, Urteil v. 13.06.2018 - XI R 20/14; NWB DokID: GAAAG-94739 (il)

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