Verfahrensrecht | Kein § 129 AO bei fehlendem Abgleich von Arbeitslohn (BFH)

Gleicht das FA bei einer PapiererklĂ€rung den elektronisch ĂŒbermittelten und der SteuererklĂ€rung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der EinkommensteuererklĂ€rung erklĂ€rten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbstĂ€ndiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO (BFH, Urteil v. 16.01.2018 - VI R 41/16; veröffentlicht am 14.03.2018).

Sachverhalt: Die KlĂ€gerin war im Streitjahr (2011) zunĂ€chst bei der X-GmbH und spĂ€ter bei der Y-GmbH beschĂ€ftigt. Ihren aus diesen beiden ArbeitsverhĂ€ltnissen bezogenen Arbeitslohn erklĂ€rte sie gegenĂŒber dem FA zutreffend. Die ErklĂ€rung wurde in Papierform eingereicht. Das FA berĂŒcksichtigte im Einkommensteuerbescheid lediglich den Arbeitslohn aus dem ArbeitsverhĂ€ltnis mit der Y GmbH. Nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids stellte das FA fest, dass die X-GmbH erst im Nachhinein die richtigen Lohndaten fĂŒr die KlĂ€gerin ĂŒbermittelt hatte und diese deshalb im Bescheid nicht enthalten waren. Das FA erließ einen Änderungsbescheid, gegen den die KlĂ€gerin erfolglos Einspruch einlegte. Das FA sah sich als nach § 129 Satz 1 AO Ă€nderungsbefugt an.

Hierzu fĂŒhrten die Richter des BFH u.a. aus:

  • Im Streitfall hat die KlĂ€gerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenĂŒber dem FA erklĂ€rt. Das FA hat diese Angaben jedoch (aus verwaltungsökonomischen GrĂŒnden möglicherweise nachvollziehbar) bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch ĂŒbermittelten Daten zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der SteuererklĂ€rung vollstĂ€ndig vom Computersystem der Finanzbehörden ĂŒbernommen werden.
  • Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der EinkommensteuererklĂ€rung der KlĂ€ger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklĂ€rten Daten vorgenommen.
  • FĂŒhrt diese vom FA gewĂ€hlte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer EinkommensteuererklĂ€rung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte Ă€hnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar.
  • Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der SteuererklĂ€rung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklĂ€rten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklĂ€rter Daten vor, das regelmĂ€ĂŸig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO fĂŒhrt.
  • Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklĂ€rt, obwohl der von den KlĂ€gern erklĂ€rte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn ĂŒbereinstimmte.
  • Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spĂ€tere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.
  • Stimmen der vom Steuerpflichtigen erklĂ€rte und der der EinkommensteuererklĂ€rung beigestellte Arbeitslohn nicht ĂŒberein, hat der Sachbearbeiter regelmĂ€ĂŸig zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist.

Hinweis: Wird infolge einer fehlerhaften Meldung des Arbeitgebers zu viel Arbeitslohn erfasst, kann sich der Steuerpflichtige in vergleichbaren FĂ€llen ebenfalls nicht im Nachhinein auf § 129 AO berufen, wenn er den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt. Nicht zu berĂŒcksichtigen war im Streitfall die seit 01.01.2017 geltende Neuregelung in § 175b AO. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu Ă€ndern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden ĂŒbermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berĂŒcksichtigt wurden.

Hauptbezug: BFH, Urteil v. 16.01.2018 – VI R 41/16, NWB DokID: YAAAG-78212

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 14/2018 v. 14.03.2018 (Ls)

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