Bilanzierung | Zur Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt (BFH)

Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird (BFH, Urteil v. 19.8.2020 - XI R 32/18; veröffentlicht am 3.12.2020).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, die im Streitzeitraum keine operative Tätigkeiten ausübte, hatte Verbindlichkeiten gegenüber ihrer Alleingesellschafterin. Diese erklärte zur Abwendung der Überschuldung der Klägerin, auf ihre Forderungen in Höhe von maximal ca. 3 Mio. € hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger in der Weise zurückzutreten, dass die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Das FA war der Auffassung, dass aufgrund dieser Rangrücktrittserklärung keine ernste Rückzahlungsabsicht bei der Klägerin mehr vorliege und löste die bestehenden Verbindlichkeiten abzüglich des freien Vermögens (insgesamt ca. 2 Mio. €) gewinnerhöhend auf (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.11.2018).

Der BFH führte aus:

  • Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeiten ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Denn eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird. Das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners ist unerheblich; vielmehr kommt es allein auf den rechtlichen Gehalt der Durchsetzungssperre an.
  • Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG setzt dabei voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges Vermögen des Schuldners damit nicht: auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen bezieht (vgl. BFH, Urteil v. 6.2.2013 - I R 62/11).
  • Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass freies Vermögen mit Ausnahme einer Forderung am maßgeblichen Bilanzstichtag weder vorhanden gewesen ist noch - wie das FA meint - die konkrete Möglichkeit bestanden habe, freies Vermögen zu schaffen. § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht darauf ab, ob freies Vermögen zum maßgeblichen Bilanzstichtag bereits vorhanden ist oder künftig geschaffen werden kann.
  • Es reicht aus, dass auf das "freie" Vermögen Bezug genommen wird, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dieses am zu beurteilenden Bilanzstichtag tatsächlich vorhanden ist. Der dahingehende Zukunftsbezug, dass das in Bezug genommene Vermögen erst noch erwirtschaftet werden muss, wäre zwar faktisch, nicht jedoch rechtlich gegeben.

Quelle: BFH, Urteil v. 19.8.2020 - XI R 32/18; NWB RAAAH-65571 (JT)

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