Grunderwerbsteuer | Steuerbefreiung für Erwerb eines Grundstücks von Geschwistern (BFH)

Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, kann - ebenso wie die Verpflichtung hierzu - aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb im Grunde als abgekürzter Übertragungsweg darstellt (BFH, Urteil v. 7.11.2018 - II R 38/15; veröffentlicht am 13.3.2019).

Sachverhalt: Der Kläger und seine Schwester waren je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks 1, das ihnen ihre Mutter 2002 unter Vorbehalt eines Nießbrauchs übertragen hatte. 2010 übertrug die Mutter das Grundstück 2 auf die Schwester unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs. Die Mutter ordnete als Auflage an, dass die Schwester verpflichtet ist, ihren Miteigentumsanteil an dem Grundstück 1 auf den Kläger unentgeltlich unter Übernahme der im Grundbuch zugunsten der Mutter eingetragenen Belastungen - des Nießbrauchs und einer Rückauflassungsvormerkung - zu übertragen. Der Kläger muss sich diesen Erwerb auf seinen Pflichtteilsanspruch bei dem Tod der Mutter anrechnen lassen. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück 1 Grunderwerbsteuer fest.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg:

  • Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils aufgrund einer Schenkung unter Auflage an einem Grundstück unter Geschwistern ist für sich allein betrachtet zwar weder nach § 3 Nr. 2 GrEStG noch nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
  • Eine Steuerbefreiung kann aber aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Gesetzeswortlaut hinaus dann gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären.
    • Die von einem Elternteil durch Auflage in einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag angeordnete unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind stellt sich als abgekürzter Weg einer unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils von dem Elternteil auf das erwerbende Kind dar.
    • Der erste unterbliebene Zwischenerwerb - die Übertragung des Grundstücks von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf den Elternteil - wäre nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da das Kind und der Elternteil in gerader Linie verwandt sind.
    • Der zweite unterbliebene Zwischenerwerb - die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von dem Elternteil auf das erwerbende Kind - wäre wegen des Verwandtschaftsverhältnisses in gerader Linie ebenfalls nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit.
       
  • Der Anwendungsbereich von § 3 Nr. 6 GrEStG wird nicht über seinen Sinn und Zweck hinaus erweitert. Unentgeltliche Übertragungen zwischen Geschwistern sind nicht stets, sondern nur ausnahmsweise dann vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Übertragung auf dem Willen des schenkenden Elternteils beruht und von diesem veranlasst wurde, sie daher einer solchen zwischen dem Elternteil und dem erwerbenden Kind gleichkommt und ein beachtlicher Grund für den gewählten Weg ersichtlich ist. Das bedeutet insbesondere, dass der innere Grund des Erwerbs nicht allein in dem Verhältnis zwischen den Geschwistern liegen darf.
  • Dass die Zuwendung des hälftigen Miteigentumsanteils von Seiten der Mutter und nicht von der Schwester erfolgen sollte, brachte die Mutter schließlich dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger sich den Erwerb auf den Wert seines Pflichtteilsanspruchs nach dem Tod der Mutter anrechnen lassen musste und die Mutter daher durch die Schenkung die Erbfolge vorwegnehmen wollte.

Hauptbezug: BFH, Urteil v. 7.11.2018 - II R 38/15; NWB DokID: NWB AAAAH-09522 (Ls)

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