Kindergeld | Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung eines Studiums (BFH)

Eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Form eines Hochschulstudiums beginnt nicht schon mit der Bewerbung für dieses Studium, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Beendigung eines Hochschulstudiums setzt grundsätzlich voraus, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dass dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind (BFH, Urteil v. 7.7.2021 - III R 40/19; veröffentlicht am 23.9.2021).

Hintergrund: Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann, wenn es entweder für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG). Nach § 66 Abs. 2 EStG wird das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.

Sachverhalt: Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017.

Die zum damaligen Zeitpunkt 22-jährige Tochter (A) der Klägerin war ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang "Management" eingeschrieben. Nachdem ihr zunächst der erfolgreiche Abschluss mündlich mitgeteilt worden war, stellte die Hochschule den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte A Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab.

Ab April 2017 war A für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft an einer technischen Universität eingeschrieben, für das sie sich im März 2017 beworben hatte.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Rückforderung des für die Monate November 2016 bis Februar 2017 bereits ausgezahlten Kindergeldes.

Die Klage hatte in allen Instanzen (Vorinstanz: Sächsisches FG, Urteil v. 7.6.2019 - 1 K 1559/17 (Kg)) keinen Erfolg:

  • Im Streitzeitraum besteht weder wegen einer bestehenden Berufsausbildung noch wegen einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten ein Anspruch auf Kindergeld.
  • In der Zeit vom November 2016 bis Februar 2017 hat sich A nicht mehr in einer Berufsausbildung befunden. Das Masterstudium "Management" hat im Oktober 2016 – mit der Online-Stellung der Abschlussnoten – geendet.
  • Die Beendigung eines Hochschulstudiums setzt grundsätzlich voraus, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dass dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind. Hierbei ist auf den Zeitpunkt, in welchem dem Kind die Prüfungsergebnisse mündlich mitgeteilt wurden, nicht abzustellen.
  • Die Bekanntgabe erfordert vielmehr, dass das Kind entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder jedenfalls objektiv in der Lage war, eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist, welches Ereignis früher eingetreten ist. Mit der Online-Stellung der Ergebnisse hatte A objektiv die Möglichkeit, eine schriftliche Bestätigung über das Erreichen des Abschlusses und die Abschlussnoten auszudrucken.
  • Ferner lagen die Voraussetzungen für eine Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht vor.
  • Eine Übergangszeit kann nicht dadurch begründet werden, dass sich ein Kind um eine Ausbildung bemüht und später diese beginnt. Insoweit gilt, dass die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz der Ausbildung selbst nicht gleichzusetzen ist. Denn zu diesem Zeitpunkt werden noch keine ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt.
  • Vorliegend endete der Masterstudiengang "Management" im Oktober 2016. Das Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft begann erst im April 2017. Somit umfasste die Zeit zwischen den Ausbildungsabschnitten die vollen Monate November 2016 bis März 2017 und damit nicht maximal vier, sondern fünf Kalendermonate.

Quelle: BFH, Urteil v. 7.7.2021 - III R 40/19; NWB Datenbank (il)

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