Körperschaftsteuer | Vorabentscheidungsersuchen zur Behandlung dauerdefizitärer kommunaler Eigengesellschaften (BFH)

Der BFH hat den EuGH zur Beantwortung der Frage angerufen, ob die steuerliche Behandlung von dauerdefizitären kommunalen Eigengesellschaften (Kapitalgesellschaft) nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zu einer staatlichen Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV führt, wenn die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung unter bestimmten Umständen nicht eintreten (BFH, Beschluss v. 13.3.2019 - I R 18/19; veröffentlicht am 24.10.2019).

Hintergrund: (Dauer-)Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Betätigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, sind grds. als vGA anzusehen und dürfen den Gewinn der Kapitalgesellschaft nicht mindern. Entfällt hingegen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, sind die Rechtsfolgen für diese Dauerverlustgeschäfte nicht zu ziehen, wenn sie aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten werden (§ 8 Abs. 7 KStG).

Der BFH hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten vGA führt (BFH, Urteil v. 22.08.2007 - I R 32/06).

Sachverhalt: Die Klägerin (eine GmbH), versorgt die Bevölkerung, den Handel, das Gewerbe, die Industrie, die Landwirtschaft und öffentliche Einrichtungen mit Energieträgern, Trink- und Brauchwasser sowie Telekommunikation. Zudem betreibt und bewirtschaftet sie u.a. auch Schwimmbäder. Die Anteile an der Klägerin werden zu 100 % von einer Stadt gehalten. Es handelt sich bei der Klägerin damit um eine sogenannte (sog.) Eigengesellschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft.

Aus dem Betrieb der Schwimmbäder erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren (dauerhaft) Verluste. Diese wurden seitens der Finanzverwaltung als nicht abziehbare BA (aber nicht als vGA) behandelt. Die Vorinstanz kam zu dem Ergebnis, dass eine vGA zugunsten der Stadt vorliegt (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 22.6.2016 - 3 K 199/13).

Der BFH legt dem EuGH eine Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vor und führt dazu aus:

  • Eine vGA kann u.a. vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschäfte tätigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten führen (BFH, Urteil v. 15.05.2002 - I R 92/00).
  • Bei den von der Klägerin erwirtschafteten Verlusten handelt es sich in vollem Umfang um eine vGA an die Stadt - als (alleiniger) Gesellschafterin -, welche das Einkommen der Klägerin erhöhen. Insbesondere liegt eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor, weil ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nicht auf den Ausgleich der Verluste verzichten würde.
  • Im Streitfall sind allerdings die Voraussetzungen des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 KStG erfüllt, was der außerbilanziellen Korrektur der vGA entgegensteht.
  • Im Ergebnis hat die Klägerin damit nach nationalem Recht die Möglichkeit, die Verluste aus dem Betrieb der Schwimmhalle mit den anderen Sparten (Energie- und Wasserversorgung etc.) zu verrechnen und ihre Gewinne und damit ihre Körperschaftsteuerbelastung in den Streitjahren entsprechend zu verringern.
  • Nach Unionsrecht sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (Art. 107 Abs. 1 AEUV).
  • Dem EuGH wird daher folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt (amtlich): Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine unter diese Vorschrift fallende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn nach den Regelungen eines Mitgliedstaats (Dauer )Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Betätigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, zwar im Grundsatz als vGA anzusehen sind und dementsprechend den Gewinn einer Kapitalgesellschaft nicht mindern dürfen, jedoch bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, diese Rechtsfolgen für Dauerverlustgeschäfte nicht zu ziehen sind, wenn sie die betreffenden Geschäfte aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten?
  • Es wird von einem grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgegangen, eine verbindliche Klärung der im Streitfall bestehenden Auslegungsfrage hat jedoch durch den EuGH zu erfolgen.

Hinweise: Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.

Für die Besteuerungszeiträume ab 2009 ist - anders als im Streitfall -, auch die sog. Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG zu beachten. Diese ändert aber nichts am Entfallen der vGA, mit dem der BFH sein Vorabentscheidungsersuchen maßgeblich begründet hat. Ein vom EuGH auf dieser Grundlage bejahter Beihilfetatbestand könnte sich daher auch auf die heute bestehende Rechtslage auswirken.

Weitere Informationen ergeben sich aus der entsprechenden Pressemitteilung des BFH.

Quelle: BFH, Beschluss v. 13.3.2019 - I R 18/19; NWB DokID: RAAAH-33410 (ImA)

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