Verfahrensrecht | Bekanntgabefiktion bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters (FG)

Die dreitägige Zugangsfiktion bei der Übersendung einer Einspruchsentscheidung durch einen privaten Postdienstleister, der zur Briefbeförderung einen weiteren Subunternehmer zwischenschaltet, gilt nicht (FG Münster, Urteil v. 15.5.2019 - 13 K 3280/18 Kg).

Sachverhalt: Die Familienkasse lehnte einen Kindergeldantrag des Klägers ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Auf der Einspruchsentscheidung ist vermerkt „abgesandt am 6.11.2015“. Dieser Tag war ein Freitag. Die Post der Familienkasse wurde im November 2015 aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung von einem regionalen privaten Briefdienstleister abgeholt und teilweise - so auch im Fall der Einspruchsentscheidung - an die Deutsche Post AG zur Weitersendung übergeben.

Am 10.12.2015 erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 13. März 2017 (Az. 13 K 3907/15 Kg) wegen Versäumung der Klagefrist zurückwies. Der BFH hob dieses Urteil mit Gerichtsbescheid v. 14.6.2018 - III R 27/17 auf und verwies die Sache an das FG Münster zurück (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 24.10.2018). Das FG Münster habe zu ermitteln, ob nach den beim privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Dies gelte vor allem bei einem regionalen Dienstleister, der bei bundesweiten Zustellungen andere Dienstleistungsunternehmen zwischenschalte.

Im zweiten Rechtsgang gab der 13. Senat des FG Münster der Klage statt:

  • Die Klageerhebung außerhalb der Dreitagesfrist ab dem 6.11.2015 führt nicht zur Fristversäumnis.
  • Zwar wird unter „Aufgabe zur Post“ auch ein privater Postdienstleister erfasst. Die beklagte Familienkasse hat aber keinen Nachweis darüber erbracht, dass am 6.11.2015 tatsächlich ein Botengang im Haus stattgefunden hat, bei dem die Einspruchsentscheidung in die vorgesehene Ablage zur Abholung durch den Kurierdienst gelegt worden ist.
  • Außerdem hat sie nicht nachgewiesen, dass der Kurierdienst an diesem Tag tatsächlich die Ausgangspost abgeholt hat, obwohl sie nach den vertraglichen Bestimmungen hierzu Informationen beim Postdienstleister hätte einholen können.
  • Unabhängig davon ist die Zugangsfiktion innerhalb von drei Tagen dadurch erschüttert, dass der private Zustelldienst einen weiteren Dienstleistungsunternehmer - die Deutsche Post AG - zur Beförderung der Einspruchsentscheidung zwischengeschaltet hat.
  • Eine Verlängerung der Laufzeit von mindestens einem Tag kann aufgrund eines erforderlichen weiteren Sortierprozesses in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden.
  • Auf Grundlage des zwischen dem privaten Briefdienstleister und der Deutschen Post AG geschlossenen Vertrages ist die Deutsche Post AG bei einer Übergabe an einem Freitag frühestens zu einer Zustellung am folgenden Dienstag verpflichtet gewesen.

Quelle: FG Münster, Newsletter Juni 2019 zum Urteil v. 15.5.2019 - 13 K 3280/18 Kg, NWB DokID: EAAAH-21801

Verwandte Artikel:
•    Gerlach, Bekanntgabe, infoCenter, NWB DokID: DAAAB-26805

Diese Seminare könnten Sie interessieren:

Zurück
Kontakt