Verfahrensrecht | Keine Befreiung der Belegausgabepflicht für eine Bäckerei (FG)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Belegausgabepflicht nach § 146a Abs. 2 Satz 1 AO ist im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erlangen. Die Befreiung von der Belegausgabepflicht steht im Ermessen der Finanzbehörde und setzt voraus, dass die Erfüllung der Verpflichtung dem betroffenen Unternehmer unzumutbar sein muss. Darüber hinaus muss die Einhaltung der durch § 146a Abs. 2 Satz 1 AO auferlegten Belegausgabepflicht Härten mit sich bringen und die Besteuerung darf durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt werden (FG Sachsen, Beschluss v. 1.4.2020 - 4 V 212/20).

Sachverhalt: Die Antragstellerin begehrt die Befreiung von der Belegausgabepflicht einer auf einem Hauptbahnhof betriebenen Bäckereifiliale.

Der Antrag auf Befreiung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:

  • Eine Härte im Sinne des § 148 AO setzt eine Pflicht von einigem Gewicht voraus, deren Erfüllung dem Steuerpflichtigen nicht nur lästig sein darf, weil die Belastungen grundsätzlich alle Steuerpflichtigen in gleicher Weise treffen. Bloße Erschwerungen des Betriebsablaufs oder Kostennachteile reichen nicht aus. Vielmehr muss die Pflicht für den Steuerpflichtigen im konkreten Einzelfall unzumutbar sein. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Pflichten zumutbar ist.
  • Zwar kann eine durch die Belegausgabe entstehende Umsatzbeeinträchtigung, weil eine Warteschlange entstehen oder sich verlängern würde, die Unzumutbarkeit der Belegausgabe grundsätzlich begründen. Freilich wird dies angesichts der Pflicht zur Verwendung eines modernen Aufzeichnungssystems nur ausnahmsweise der Fall sein und bedarf jedenfalls einer genauen und substantiierten Darlegung der genauen Abläufe im Betrieb des Steuerpflichtigen und des Ausmaßes der Beeinträchtigungen (hier fehlte es an der substantiierten Darlegung).
  • Für sich allein nicht ausreichend ist der Umstand, dass die Antragstellerin Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkauft. Nicht näher substantiiert, sondern nur pauschal behauptet hat die Antragstellerin, die große Vielzahl an Verkaufsvorgängen verzögere sich durch die Belegausgabepflicht und die Entsorgung der von der Kundschaft abgelehnten Belege.
  • Maßgeblich für die Zumutbarkeit ist auch, dass die Belegausgabepflicht nach § 146a Abs. 2 Satz 1 AO seit dem 1.1.2020 nicht nur die Antragstellerin trifft, sondern in gleicher Weise eine unbestimmte Vielzahl anderer Steuerpflichtiger, die sich in einer vergleichbaren Lage wie die Antragstellerin befinden und in gleicher Weise mit der Belegausgabepflicht belastet sind.
  • Im Übrigen hat die Antragstellerin auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin infolge der Belegausgabepflicht in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde, die geeignet wäre, die erforderliche Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung glaubhaft zu machen.

Hinweis: Lesen Sie hierzu einen Beitrag von Prof. Dr. jur. Ralf Jahn im NWB Experten-Blog.

Quelle: FG Sachsen, Beschluss v. 1.4.2020 - 4 V 212/20, NWB SAAAH-48672 (JT)

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