Hintergrund: Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten.
Zu den notwendigen Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung zählen neben Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten und (zeitlich befristeten) Verpflegungsmehraufwendungen v.a. die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Seit der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG zum VZ 2014 können die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung einer inländischen Unterkunft höchstens mit 1.000 € im Monat angesetzt werden. Von den (nur begrenzt abziehbaren) Unterkunftskosten sind nach ständiger und im Anschluss an die gesetzliche Neufassung fortgeführter Rechtsprechung des BFH sonstige notwendige Mehraufwendungen abzugrenzen (BFH, Urteil v. 4.4.2019 - VI R 18/17, BStBl. II 2019, 449).
Sachverhalt: Der Kläger ist als Gebietsverkaufsleiter eines Großhandels-Unternehmens nichtselbständig tätig. Sein Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf den Einzugsbereich in E sowie Teile Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns. Ihm steht für seine Tätigkeit ein Büro in E sowie ein durch den Arbeitgeber überlassener Firmenwagen zur Verfügung.
Neben seiner Hauptwohnung in A unterhält der Kläger seit August 2019 eine angemietete Zweitwohnung in E. Zusammen mit dem Wohnungsmietvertrag schloss er einen gesonderten Garagen-/Stellplatz Mietvertrag ab. Die Vermietung des Stellplatzes war an den Wohnungsmietvertrag gebunden. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 machte der Kläger die Garagenmiete als Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als sonstige Werbungskosten geltend. Das FA verweigerte die Anerkennung der Garagenmiete mit dem Verweis auf den bereits ausgeschöpften gesetzlichen Höchstbetrag der abzugsfähigen Unterkunftskosten des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG von 12.000 € jährlich.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hatte der Kläger vor dem Niedersächsischen FG Erfolg:
- Entgegen der Ansicht des FA gehören die Mietkosten des Klägers für den Tiefgaragen-Stellplatz nicht zu den Kosten der Wohnung. Vielmehr sind sie unter Beachtung der Einzelfallumstände nur mittelbar und gelegentlich im Zusammenhang mit der Anmietung bzw. Nutzung der Zweitwohnung angefallen und deshalb den sonstigen notwendigen Mehraufwendungen zuzuordnen.
- Welche Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung als sonstige Kosten einzuordnen oder auf „die Nutzung der Unterkunft” entfallen und daher nur in Höhe der gesetzlichen Höchstgrenze abziehbar sind, wird durch das Gesetz nicht näher bestimmt.
- Im Schrifttum, in der Rechtsprechung und durch die Finanzverwaltung werden hierzu unterschiedliche Sichtweisen vertreten (vgl. zusammenfassende Darstellung in BFH, Urteil v. 4.4.2019 - VI R 18/17, BStBl 2019 II S. 449, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 6.6.2019 mit Anmerkung Kanzler). Dies gilt auch für die Einordnung zusätzlicher Stellplatzkosten am Zweitwohnsitz (vgl. FG Saarland, Gerichtsbescheid v. 20.5.2020 - 2 K 1251/17, EFG 2020, 1408 m.w.N., s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 20.11.2020).
- Vom Wortlaut der Norm ausgehend versteht der BFH – und dem folgend das FG – die von der Abzugsbeschränkung erfassten Unterkunftskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG als die Summe aller Aufwendungen, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können (BFH, Urteil v. 4.4.2019 a.a.O.). Dies gilt für die Bruttokaltmiete, aber auch für alle (warmen und kalten) Betriebskosten einschließlich Stromkosten, da diese ebenfalls durch den Gebrauch der Unterkunft entstehen (BFH-Urteil vom 4.4.2019 a.a.O.; FG München, Urteil v. 26.11.2021 - 8 K 2143/21, EFG 2022, 322; Brandis/Heuermann/Thürmer, EStG, § 9 Rn. 402; Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 9 Rn 246; a.A. Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff/Geserich, EStG, § 9 Rn. G 135).
- Nicht zu den nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten, sondern zu den sonstigen notwendigen Mehraufwendungen, gehören demgegenüber Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände (BFH-Urteil vom 4.4.2019 a.a.O.; BMF, Schreiben v. 25.11.2020, BStBl. I 2020, 1228; weitergehend Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff/Geserich, EStG, § 9 Rn. G 121).
- Nach dieser Maßgabe sind entgegen der Auffassung des Beklagten (und des BMF) gesonderte Stellplatzkosten, wie sie der Kläger hier geltend macht, keine Unterkunftskosten. Auch der BFH rechnete Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung schon bislang den sonstigen Mehraufwendungen und nicht den beschränkt abzugsfähigen beruflichen Mobilitätskosten zu (BFH, Urteil v. 13.11.2012 - VI R 50/11, BStBl. II 2013, 286, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 13.2.2013).
- Hieran hat sich durch die gesetzliche Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nichts geändert (ebenso FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 21.9.2022 - 3 K 48/22, EFG 2023, 114; FG Saarland, Gerichtsbescheid v. 20.5.2020 - 2 K 1251/17, EFG 2020, 1408; Schmidt/Krüger a.a.O., § 9 Rn. 254; Korn/Fuhrmann, EStG, § 9 Rz. 111.5; Brandis/Heuermann/Thürmer, a.a.O., § 9 Rz. 402; Bordewin/Brandt/Köhler, EStG, § 9 Rn. 1087; Herrmann/Heuer/Raupach/Bergkemper, EStG/KStG, § 9 EStG Anm. 493 aE, 498; Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff/Geserich, a.a.O., § 9 Rn. G 135; Littmann/Bitz/Pust/Teller, EStG, § 9 Rn. 756 aE).
- Denn diese Kosten werden (ebenso wie die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände oder für gemietete Möbel) nicht unmittelbar durch die Nutzung der Zweitwohnung verursacht, sondern durch die dem Stellplatzmieter eröffnete und vom reinen Gebrauchswert der Wohnung zu trennende (deshalb i.d.R. auch zusätzlich zu vergütende) Möglichkeit, den eigenen (Firmen-)Pkw in der Tiefgarage geschützt abstellen zu können.
- Unerheblich ist, dass die durch den Kläger abgeschlossenen Mietverträge inhaltlich aufeinander Bezug nehmen. Auch der Umstand, dass sich die Tiefgarage im gleichen Gebäude befindet und der Stellplatz durch den gleichen Vermieter überlassen wurde, nimmt dem Kläger nicht den mit der Stellplatzüberlassung verbundenen Mehrwert an Gebrauchsmöglichkeiten.
- Das vom FA zur Begründung seiner anderslautenden Auffassung zitierte BMF-Schreiben v. 25.11.2020 - IV C 5-S 2353/19/10011:006 zur steuerlichen Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern (BStBl. I 2020, 1228) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Sog. norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften kommt keine Rechtsnormqualität zu - sie binden die Gerichte folglich nicht.
Hinweis:
Das FG hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Diese ist dort unter dem Az. VI R 4/23 anhängig.
Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil v. 16.3.2023 - 10 K 202/22; NWB Datenbank (il)
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