Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerkarussell (BFH)

Die für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach ständiger Rechtsprechung erforderliche Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen (BFH, Urteil v. 14.2.2019 - V R 47/16; veröffentlicht am 22.5.2019).

Sachverhalt: Der Kläger erzielte im Streitjahr 2008 steuerpflichtige Umsätze aus dem Vertrieb von Hard- und Software. Dem Vorsteuerabzug des Klägers lagen Eingangsrechnungen von drei (vorgeblichen) Zulieferfirmen zugrunde. Für den einen Zulieferer (Firma J) trat P, der dem Kläger seit vielen Jahren bekannt war, auf. P bot die Waren vom Nettoverkaufspreis her betrachtet zwischen 12 und 4 % unter dem Einkaufspreis an. Möglich war dies dem P, weil er in ein entsprechendes Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war.

Die Geschäfte hinsichtlich der den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG zu Grunde liegenden Lieferungen wurden abgewickelt, indem der Kläger durch die A-AG Angebote unterbreitet bekam und die Ware entweder direkt vom Lager der A-AG an die Abnehmer des Klägers geschickt wurde oder er diese vom Lager der A-AG abholte. Der Kläger hatte ausschließlich Kontakt mit K, den der ebenfalls bereits länger kannte und der sich im Rahmen der streitgegenständlichen Geschäfte ihm gegenüber als Handelsvertreter der A-AG ausgegeben hatte, sowie mit Angestellten der A-AG.

Die T-GmbH und die F-GmbH & Co. KG wurden nach den Feststellungen der Steuerfahndung von einer unter falschem Namen auftretenden weiteren Person im Jahr 2008 erworben. Diese fungierte auch als deren Geschäftsführer. Zugleich erfolgte mit dem Erwerb der Firmen deren Sitzverlegung. An dem angegebenen neuen Sitz unterhielten die Firmen jedoch keine Geschäftsräume. Insofern ging die Steuerfahndung davon aus, dass es sich bei beiden Firmen um sog. Missing Trader handelte, die in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden waren. Das FA erkannte den Vorsteuerabzug aus den (angeblichen) Lieferungen der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG sowie aus Lieferungen der J in 2008 und 2009 nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte hinsichtlich der Vorsteuern aus den Lieferungen der J Erfolg.

Der BFH wies die auf den Abzug der Vorsteuer aus den Rechnungen der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG gerichtete Revision ab:

  • Dem Kläger steht der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer grundsätzlich nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Und dies ist vorliegend nicht der Fall.
  • Auch aus Unionsrecht (teleologischen Auslegung von Art. 226 MwStSystRL) folgt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren (vgl. EuGH-Urteile Geissel und Butin - C-374/16 und C-375/16, Rz 41; Barlis 06 v. 15.9.2016 - C-516/14, Rz 27).
  • Das setzt nach ständiger Rechtsprechung die Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller voraus (z.B. BFH, Urteil v. 12.8.2009 - XI R 48/07) und entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen (EuGH-Urteil Geissel und Butin, EU:C:2017:867, Rz 42).
  • Anders als in dem EuGH-Urteil PPUH Stehcemp (EU:C:2015:719), auf das sich der Kläger beruft, steht vorliegend nach den bindenden Feststellungen des FG fest, dass die Rechnungsaussteller die Lieferungen, aus denen der Kläger den Vorsteuerabzug begehrt, nicht ausgefĂĽhrt haben.
  • Die Voraussetzungen, unter denen im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) der Vorsteuerabzug gewährt werden kann, sind nicht erfĂĽllt. Es fehlt vorliegend jede Grundlage fĂĽr einen derartigen Vertrauensschutz.
  • Insbesondere geht es nicht um den guten Glauben des Klägers an die Rechnungsangaben. Dem Kläger waren die Umstände, aus denen das FG - zu Recht – zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nicht die Rechnungsaussteller, sondern die A-AG die streitgegenständlichen Lieferungen ausgefĂĽhrt hat, bekannt. Einen guten Glauben an bestimmte rechtliche Schlussfolgerungen gibt es nicht, dieser kann folglich auch nicht geschĂĽtzt werden.

Hinweis: Das Urteil zeigt, dass der Leistungsempfänger nach wie vor das Risiko undurchsichtiger Verhältnisse bei seinen Geschäftspartnern trägt.

Quelle: BFH, Urteil v. 14.2.2019 - V R 47/16; NWB DokID: NWB OAAAH-15429 (il)

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