Berufsrecht | Keine anonyme Steuerberaterprüfung (BFH)

Der BFH hat weitere Klarheit in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Steuerberaterprüfung geschaffen. Die Entscheidung bestätigt die Rechtmäßigkeit der Möglichkeit, die schriftlichen Prüfungsarbeiten ohne Verwendung eines anonymisierten Kennzahlensystems anfertigen zu lassen. Des Weiteren hebt der BFH hervor, dass das Überdenkungsverfahren eine eigenständige und unabhängige Überprüfung durch die hierfür zuständigen Prüfer erfordert und dass eine gemeinsam abgestimmte Überdenkung von Klausuren durch eine Prüfermehrheit unzulässig ist (BFH, Urteil v. 11.7.2023 - VII R 10/20; veröffentlicht am 30.11.2023).

Sachverhalt: Die Klägerin hat an der Steuerberaterprüfung 2015/2016 teilgenommen, nachdem sie zuvor die Steuerberaterprüfung zweimal nicht bestanden hat. Die Klägerin ist der Auffassung, die Prüfer hätten alle drei Aufsichtsarbeiten fehlerhaft bewertet. Sie habe daher einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeiten bzw. auf Wiederholung der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten und die daran anknüpfende Korrektur müssten anonym erfolgen. Die Prüfer hätten zudem mit der Nutzung der vorgefertigten Tabellen ihren Beurteilungsspielraum nicht hinreichend genutzt. Die Verwendung der vorgefertigten Tabellen führe zu einer Verkürzung des Beurteilungsspielraums und stehe der positiven Berücksichtigung abweichender Lösungen im Wege (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.7.2020).

Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg:

  • Der BFH verpflichtete die Beklagtenseite, die gemeinsam überdachte Klausur durch andere Prüfer neu bewerten zu lassen. Im Übrigen wies er die Revisi-on als unbegründet zurück.
  • Er urteilte, dass § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB mit Verfassungsrecht vereinbar ist. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit unter besonderer Berücksichtigung des Verbots geschlechtsspezifischer Diskriminierung lässt kein anonymisiertes Kennzahlensystem für die Durchführung der schriftlichen Steuerberaterprüfung zu. Statistische Belege für die Annahme der Klägerin, dass die Verwendung des Namens in der Steuerberaterprüfung zu geschlechtsspezifischer Benachteiligung führe, sind nicht vorhanden.
  • Die zwischen Erst- und Zweitprüfer abgestimmte gemeinsame Überdenkung ihrer Bewertung war hingegen verfahrensfehlerhaft. Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit wird durch die Zulassung gemeinsamer Beurteilungen zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht. Deshalb ist eine solche Abstimmung – anders als eine eigenständige, aber „offene“ Überdenkung in Kenntnis des vom anderen Prüfer gefundenen Ergebnisses – allenfalls im Nachgang zu einer schriftlichen Fixierung des Überdenkungsergebnisses zulässig.

Quelle: BFH Pressemitteilung 46/2023 v. 30.11.2023; BFH, Urteil v. 11.7.2023 - VII R 10/20; NWB Datenbank (JT)

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