Einkommensteuer | Berechnung des Grundlohns bei steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (BFH)

Der für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit maßgebende Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht. Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge daher ohne Belang (BFH, Urteil v. 10.8.2023 - VI R 11/21; veröffentlicht am 26.10.2023).

Hintergrund: Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 € anzusetzen (§ 3b Abs. 2 Satz 1 EStG).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Zahlungen des Arbeitgebers an eine Unterstützungskasse Teil des Grundlohns im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG sind. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Beiträge der Klägerin an die Unterstützungskasse nicht zum Grundlohn nach § 3b Abs. 2 EStG gehörten. Grundlohn sei danach der laufende Arbeitslohn. Hierunter sei nicht das arbeitsvertraglich geschuldete, sondern das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt zu verstehen. Beiträge des Arbeitgebers an eine Unterstützungskasse, die - wie im Streitfall - den Arbeitnehmern keinen eigenen Rechtsanspruch auf Versorgung gegen die Versorgungseinrichtung begründeten, stellten mangels Zufluss keinen laufenden Arbeitslohn dar und gehörten folglich nicht zum Grundlohn. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.4.2021 - 10 K 1865/20, hierzu auch Rätke, Kommentierte Nachricht, BBK online, NWB KAAAJ-16230).


Die Richter des BFH sahen dies anders und gaben der Klage statt:

  • Grundlohn (laufender Arbeitslohn) steht dem Arbeitnehmer zu, wenn er diesem bei der fĂĽr ihn maĂźgebenden regelmäßigen Arbeitszeit fĂĽr den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung geschuldet wird.
     
  • Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zuflieĂźt, ist fĂĽr die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift („zusteht“) ohne Belang (vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 3b Rz 2; Brandis/Heuermann/Valta, § 3b EStG Rz 14; a.A. Bergkemper in HHR, § 3b EStG Rz 33; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 3b Rz 2, unter Bezugnahme auf die Entscheidung der Vorinstanz, und derselbe in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B 5).
     
  • Diese Sichtweise wird durch den Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte bestätigt.
     
  • Durch die Steuerfreiheit der Zuschläge soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich fĂĽr die besonderen Erschwernisse und Belastungen der mit Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten, die den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stören, gewährt werden. Dieser Ausgleich kann jedoch nur gelingen, wenn die Höhe der Steuerfreiheit nach dem vereinbarten, nicht aber nach dem tatsächlich zugeflossenen laufenden Arbeitslohn bestimmt wird. Denn nur dann kann der Arbeitnehmer von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses und vor Ableistung des Dienstes zu den begĂĽnstigten Zeiten ersehen, in welcher Höhe die Zuschläge vom Arbeitgeber steuerfrei zu gewähren sind.
     
  • Die derzeit in § 3b EStG enthaltene Steuerbefreiung war vor 1974 in § 34a EStG geregelt. In § 34a EStG i.d.F. vom 01.12.1971 (BGBl I 1971, 1881, 1911) war bereits in Abs. 3 Nr. 2 bestimmt, dass als Grundlohn gelte, was dem Arbeitnehmer bei der fĂĽr ihn maĂźgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem jeweiligen Lohnzahlungszeitraum an laufenden Geld- und laufenden SachbezĂĽgen "zusteht". In § 3b Abs. 3 Nr. 1 EStG i.d.F. vom 5.9.1974 (BGBl I 1974, 2165, 2172) und § 3b Abs. 3 Nr. 1 EStG i.d.F. vom 21.6.1979 (BGBl I 1979, 721, 729) ist dies inhaltsgleich fortgefĂĽhrt worden. Mit der Neufassung des § 3b EStG i.d.F. vom 25.07.1988 (BGBl I 1988, 1093, 1094), mit der in Abs. 2 erstmals der Grundlohn als "laufender Arbeitslohn" (und Bemessungsgrundlage fĂĽr die Steuerfreiheit) definiert wurde, sollte inhaltlich insoweit keine Ă„nderung einhergehen (vgl. BT-Drucks 11/2157, S. 138).
     
  • Im Ăśbrigen sind auch die Regelungen in R 3b LStR erkennbar davon getragen, dass bei der Ermittlung des Grundlohns nicht auf den zugeflossenen, sondern den arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitslohn abzustellen ist. So ist zum Beispiel die Rechengröße "Basisgrundlohn" nach Auffassung der Finanzbehörden nach dem fĂĽr den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum vereinbarten Grundlohn zu ermitteln (R 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a LStR).

Quelle:BFH, Urteil v. 10.8.2023 - VI R 11/21; NWB Datenbank (il)

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  • Hilbert, Steuerfreiheit von Zuschlägen fĂĽr Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, NWB 24/2022 S. 1684


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