Wertberichtigung von Forderungen nach IFRS – kein Ende in Sicht

    ESMA (europäisch Wertpapieraufsichtsbehörde) und BaFin hatten dieses Thema Ende letzten Jahres für 2022 wiederholt als Prüfungsschwerpunkt infolge der Pandemie auf Ihre Agenda genommen. Mit dem Beginn des Ukraine Krieges in 2022...

    ESMA (europäisch Wertpapieraufsichtsbehörde) und BaFin hatten dieses Thema Ende letzten Jahres für 2022 wiederholt als Prüfungsschwerpunkt infolge der Pandemie auf ihre Agenda genommen. Mit dem Beginn des Ukraine Krieges in 2022 bekommt dieses Thema aber noch eine zusätzliche Brisanz. IDW (April 2022) und ESMA (Mai 2022) haben daher erneut hierzu verlautbart und stärker als je zuvor den Fokus auf Wertberichtigungen im Allgemeinen und die Wertberichtigung von Forderungen im Speziellen gelegt – ein Dauerbrenner ohne Ende in Sicht.

    Gehen wir einen Schritt zurück:

    Eine Forderung, gleich ob aus Lieferung und Leistung, aus Darlehen oder einem anderen Grund, stellt aus Unternehmenssicht ein erhoffter Zahlungsmittelzufluss in der Zukunft dar. Daher ist es nach IFRS 9 nur konsequent, Wertberichtigungen von Forderungen in Höhe erwarteter Zahlungsausfälle zu bemessen (sog. expected loss model). Folglich sind Unternehmen gefordert, Prognosen über erwartete Ausfälle anzustellen, die in der Praxis immer wieder als „Blick in die Glaskugel“ abgetan werden.

    Können solche Prognosen bzw. auf Basis von diesen Prognosen erfolgte Wertberichtigungen falsch, also fehlerhaft sein?

    Die Antwort lautet: Ja! Fehler entstehen dort, wo Unternehmen entweder keine Prognosen vorgenommen haben, die Wertberichtigung von Forderungen z.B. ausschließlich auf Basis von historischen Ausfallraten gerechnet wurden, oder die angestellten Prognosen schlichtweg nicht plausibel bzw, nachvollziehbar sind.

    Wie oft höre ich: Wir haben kein Wertberichtigungsproblem, unsere Kunden zahlen alle. Bisher, ja: tun sie das in der Zukunft erwartungsgemäß auch noch?

    Wir müssen selbstverständlich unsere Erwartungen korrigieren und zwar für solche Debitoren, die unmittelbar oder mittelbar (z.B. infolge von Lieferengpässen) von dem Krieg und von Sanktionen betroffen sind.

    Aber jetzt mal konkreter: Was ist zu tun?

    Nehmen wir mal die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und unterstellen, dass wir für diese das vereinfachte Modell anwenden. Wir starten mit der Einzelwertberichtigung von Forderungen (Stufe 3). Die nicht einzelwertberichtigten Forderungen werden in Forderungsportfolien mit jeweils homogenen Ausfallrisiken aufgeteilt. Zur Einteilung ist es wichtig, zunächst die Treiber des Ausfallrisikos für die zugrunde liegenden Forderungen zu verstehen und zu analysieren, wie sich diese angesichts der Pandemie und des Ukraine-Krieges verändert haben könnten. Daher ist zu erwarten, dass Kunden, die unmittelbar oder mittelbar durch Corona und/oder Ukraine-Krieg betroffen sind, in zusätzliche Forderungsportfolien eingeteilt werden. Sind wesentliche Forderungen betroffen, kann es Sinn machen, auf der Stufe 2 auf eine Einzelbewertung auf Debitorenbasis (statt Portfoliobewertung) auszuweichen. Wenn wir nun die erwarteten Verluste rechnen, dann wird es bei zunehmender Unsicherheit im Umfeld des Debitors nicht nachvollziehbar, warum wir mit „einer“ Ausfallwahrscheinlichkeit und einer Verlustquote rechnen.

    Je größer die Unsicherheit, desto eher sind Unternehmen angehalten, mit Erwartungswerten zu arbeiten. Daher sollten Unternehmen ihren bisherigen Berechnungen ggf. ein oder mehrere Szenarien hinzufügen, um schwerwiegende Downside-Szenarien oder Worst- und Bestcase-Szenarien widerzuspiegeln. Bestehen Finanzgarantien oder Kreditversicherungen, ist zu bedenken, dass diese nur das Verlustrisiko verringern können, nicht jedoch die Ausfallwahrscheinlichkeit!

    Vielleicht sieht der ein oder andere von Ihnen doch ein Ende in Sicht – ich würde es Ihnen wünschen.

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